Politisch-philosophischer Herbstsalon in Norden: Wo steht die Gesellschaft nach der Pandemie – und wie sind ihre Aussichten?

Veröffentlicht von

Der Begleitausschuss (Bga) der „Partnerschaft für Demokratie“ (PfD) beschloss im März 2021 einstimmig die Unterstützung einer dreitägigen Tagung des GATUAR e.V. – ein neuer Verein mit Sitz in der Gemeinde Hage des Landkreises Aurich, der einen organisierten und pluralistischen akademischen Diskurs in der Region initiieren und etablieren möchte. Erfahren wir mehr über die Tagung aus dem Bericht des Projektträgers:

Politisch-philosophischer Herbstsalon

Nach anderthalb Jahren der Lockdowns ist der Hunger nach einem anspruchsvollen Dialog ebenso groß wie die Notwendigkeit einer Positionsbestimmung: Wo steht die Gesellschaft nach der Pandemie – und wie sind ihre Aussichten?

Dr. Martin Gohlke eröffnet als PfD-Koordinator den ersten Herbstsalon am 25. September 2021 mit einem Grußwort.

Damit diese Diskussion nicht nur in den Groß- und Hauptstädten geführt wird, lud der GATUAR e.V. eine Reihe hochkarätiger Referent:innen aus dem ganzen Bundesgebiet zu einem zweitägigen Workshop nach Norden (Ostfriesland) ein. Am 25. und 26. September 2021 – dem Wochenende der Bundestagswahl – hatten Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Aurich dadurch Gelegenheit, sich unter den Überschriften „Alternative? Medien!“ sowie „Europäische Utopien“ auszutauschen.

Timotheus Schneidegger (Hage) blickte anhand ausgewählter Beispiele darauf zurück, wie Neue Soziale Bewegungen mit Alternativzeitschriften Gegenöffentlichkeit schufen, und diskutierte, ob und inwiefern dieses Medium im digitalen Zeitalter noch relevant ist. Daran schloss sich der Workshop von Sarah Maria Lenk (Bremen) an, die die Chancen betonte, die Soziale Medien als neue Formen der Öffentlichkeit in der Pandemie und besonders im ländlichen Raum bieten – aber auch ihre eigenen Abgründe enthalten, die sich hinter Schlagworten wie „Cybermobbing“ und „toxische Männlichkeit“ verbergen. Siebo M.H. Janssen (Bonn) gab einen Überblick über die Szene der rechtspopulistischen bzw. neurechten Publizistik und stellte dabei deren Perspektiven auf Europa in den Mittelpunkt. Das den ersten Tag beschließende Symposium diskutierte Möglichkeiten gesellschaftlichen Engagements für die Öffentlichkeit des 21. Jahrhunderts im Lichte der Workshop-Themen.

Unter der Überschrift „Europäische Utopien“ wurde am zweiten Workshop-Tag ein Blick über den nationalen Tellerrand geworfen, um wieder Mut zur Utopie zu schöpfen. Dr. Marc Hieronimus (Köln) stellte die französische Décroissance-Bewegung vor und schlug den Bogen zum Veranstaltungsort, indem er an historischen Beispielen zeigte, dass es fast immer die Landbevölkerung ist, die technische und politische Umwälzungen am stärksten zu spüren bekommt; oft ist es aber auch ihre Entschlossenheit, die dem Widerstand gegen Fehlentwicklungen erst die nötige Kraft verleiht. Dr. Ewgeniy Kasakow (Bremerhaven / Perm) zeigte in seinem Vortrag die Gefahren einer Idealisierung von Dissidenz auf. Denn das Wirken als unangepasster und unerschütterlicher Dissident war für viele eine ausgesprochen schlechte Vorbereitung auf den Alltag in der durch Interessenkonflikte und Kompromisse bestimmten postsowjetischen Demokratie, wie an ausgewählte Biografien gezeigt wurde. Auch Michael Helming blickte nach Osteuropa, aber mit einem Schwerpunkt auf Literatur und Reisen: Sein Workshop zeigte Chancen und Grenzen der literarischen Völkerverständigung auf. Unter der Moderation von Siebo M. H. Janssen wurden im abschließenden Symposion Ideen für ein neues Europa im Lichte der Bundestagswahl diskutiert.

Auch wenn die Zahl der Teilnehmenden mit 12 Männer und Frauen aufgrund strenger Infektionsschutzregeln hinter den Erwartungen zurückblieb, zeigte sich der GATUAR e.V. äußerst zufrieden, dass es durch die Unterstützung der „Partnerschaft für Demokratie“ möglich wurde, eine Veranstaltung auf hohem intellektuellen Niveau in Norden durchzuführen.